Die Jägernatur des Menschen in einer modernen Gesellschaft:
ihre Kultur, ihre Interessen und ihre Leidenschaften zwischen Macht und Moral

Mit dem Titel Homo Venator – Homo Omniprädator wird eine Serie innerhalb der Website des FLJ eingeführt, die den Menschen als ein Wesen der Natur-Kultur-Verschränkung (Triebstruktur und Realitätsprinzip)in den Blick nimmt. Beiträge verschiedener Autoren zu Teilaspekten der menschlichen Natur im Ausdruck einer Jägerspezies werden demnächst hier einen Überblick der unterschiedlichen Sichtweisen gestatten, die in der Gesellschaft im Hinsehen auf unser archaisches Erbe vorherrschen. Immerhin ist bekannt, dass der Mensch (Homo) als Jäger (Venator) im Streben nach Beute (Praeda) unersättlich und machtbesessen ist. Im evolutiven Fortschreiten der Kulturevolution wurden Triebe zu Interessen. Unsere kulturellen Eigenschaften mindern für Mitgeschöpfe und deren Existenz eine unerhörte Gefahr und Unberechenbarkeit, weil wir Kulturwesen Vernunftwesen sind und damit wenigstens der Möglichkeit nach uns auch als Moralwesen den in uns angelegten Destruktionstrieben (Egoismen im Sinne von Interessen) entgegenstellen können. Ausdrucksformen sind z.B. Jägerethos in der Gestalt von Weidgerechtigkeit oder Schöpfungsglaube und das Bewusstsein der Mitgeschöpflichkeit.

Im Vordergrund steht die heikle Frage:
Was steckt, erstens, hinter dem Leitmotiv des Jägers, mit Ausdauer und Passion Wild zu bejagen, um es zu erlegen (töten) und darin einen exorbitanten Höhe- und Endpunkt der konkreten Jagd zu erleben? Wie kann, zweitens, dieses einzigartige Ereignis in der Natur, das bei keiner anderen jagenden Spezies anzutreffen ist überhaupt erklärt werden, wenn nach Eingeständnis der Jäger jener erstrebte höchste Akt des jägerischen Erlebens (Kick im Sprachgebrauch der aktuellen Psychologie) nicht ohne den Tod des Tieres erreichbar ist? Und worin soll denn, drittens, die Lust und Freude des Jägers an dem ultimativen Akt der Jagd zu verorten sein, wenn wir seiner glaubhaften Beteuerung folgen, dieses Glückserleben im letzten Vollzug des Jagdaktes sei auf keinen Fall eine Lust oder Freude am Töten des Tieres?

In einer wissenschaftlichen Abhandlung wurde dieser Widerspruch zwischen wahrnehmbarem Schein und der vom Jäger erlebten Wirklichkeit mit einem wiss. Fachausdruck belegt: Emotionales Jagdparadox.
Beiträge und Abhandlungen auf dieser Seite sollen versuchen, diesen Widerspruch aufzuklären. Jagdbelletristen sind aufgerufen, in ihren Werken sich der Frage in deutender Absicht zu nähern.

Verweisungen (Links) auf Abhandlungen zum Kernproblem:

Lebendige Jagdkultur?
Kunst und Kultur des Homo Venator in einer kritischen Betrachtung des kulturellen Fortschritts von der Erinnerungskultur zur Aktualität des Kampfes gegen die Natur
Verfasser: Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Paul Müller

Im Spiegel des Zeitgeistes:
Gedanken einer Ideologiekritik zur Kulturgeschichte des modernen Jägers
Verfasser: Günter R. Kühnle

DJV zur JÄGERSPRACHE
Verfasser: Günter R. Kühnle

Wild und Hund in der Jägersprache
Verfasser: Günter R. Kühnle

Der Ortega–Preis für Jagdkultur
Verfasser: Günter R. Kühnle


Wir wissen heute aus dem Reichtum der Forschungsergebnisse z.B. der Humanwissenschaften (Hirnforschung, Genetik, Biowissenschaften, Evolutionsforschung), dass wir emotional noch fast vollends in unserer Emotionalität der steinzeitlichen Jägernatur verfallen sind und zugleich mit dieser Ausstattung unseres „Gemütes“ Weltraumflüge unternehmen, das Universum erforschen oder Massenvernichtungswaffen Spielzeugen gleich herstellen. Das Bewegende in unserem Forschungsdrang ist häufig der Machttrieb, das Erlangen der Kunst der Bemächtigung. Nach Platons Definition (in: „Sopistes“) ist genau dieses Vermögen das Wesen der Jagd.

Kultur nur Firnis über der Rohigkeit der Jagdtriebe?

Kultur ist die eigentliche Natur des Menschen von Anbeginn seiner Existenz in der Welt. Allerdings ließ sich die kulturelle Evolution unendlich viel Zeit, den bloß naturalen Homo Venator kulturell auf Trab zu bringen. Nur „tröpfchenweise mit vielen und schmerzhaften Rückschlägen“, wie José Ortega y Gasset es bemerkte, gelang dieser Fortschritt vom Menschen der Morgenröte zum Einstein unserer Tage.

Worin aber besteht das Charakteristikum des Kulturmenschen, einer von Vernunft begabten Jägernatur, die hiervon bekanntlich nur selten Gebrauch zu machen pflegt? Es sind die kulturellen Säulen Moral und Religion: Jede Seele hat Religion, sie ist ihr Zustand und Charakter (Oswald Spengler in UdA). Mit der Kraft der Moral können wir uns den Trieben nicht bloß gegenüber stellen, sondern auch von ihnen unabhängig sein. Die Religion ist Mittler und Bindeglied zugleich für uns zwischen beiden Welten: Die der Natur und dem Vermögen der Transzendenz zur Kultur. Einfacher ausgedrückt könnte man auch sagen: Religion nimmt der Kulturmenschheit das Entsetzen, den Schrecken vor dem Tod und löst die Urängste der biotischen Natur des Homo Venator im Bewusstsein der Möglichkeit, das Faktum Endlichkeit zu durchdringen auf.

FLJ Webredaktion

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Stand: 29.03.2008