Zur Natur der Gruppensprache in einer Subkultur
Die nachfolgende Abhandlung des Deutschen Jagdschutz Verbandes im Internet zur historischen Entwicklung der deutschen Jägersprache erscheint in erfrischender Kürze und Klarheit als lesenswerter Beitrag zu einem Fundament der Jagdkultur überhaupt (www.jagd-online.de/jagdpraxis/jagdkultur). Für Jägerinnen und Jäger ein bedenkenswerter Aufriß zur Möglichkeit einer sachgerechten Diskussion der immer häufiger zu hörenden Frage: Weshalb überhaupt Jägersprache? Immerhin gleitet das sprachgeleitete kulturelle Niveau von Jägerinnen und Jägern im deutschsprachigen Raum, wie es scheint, immer stärker in eine Richtung, die auf anderem Gebiete unseres Bildungssystems mit der PISA-Studie einen besseren Bekanntheitsgrad erlangt hat.
WAS IST EIN SCHLOSSTRITT?
Manch einem kommen, wie zu erfahren ist, abenteuerlich zu nennende Vorstellungen, wenn z.B. vom Schlosstritt des Hirsches die Rede ist. Ist der Hirsch vielleicht eingesperrt? Oder hat sich ein Jäger so sehr über ihn geärgert, dass er ihm einen heftigen Tritt in die Region der Schambeinsymphyse (in der Jägersprache mit Schloss bezeichnet) gibt? Zu weit hergeholt? Dann fragen Sie doch bitte einmal eine Jägerin/einen Jäger danach, was ein Schlosstritt ist.
Für jenen, der zur Jagd keine unmittelbare Verbindung besitzt zeigt die DJV-Abhandlung mit schlichter Logik, dass die Jägersprache keine geheimnisvolle „Kultsprache“ einer sowieso nicht ganz geheueren „Loge“ ist, wie es oft von Jagdgegnern der Gesellschaft ebenso suggestiv wie falsch eingeredet wird, sondern vielmehr ein kulturell gewachsenes Verständigungssystem in einer gesellschaftlichen Gruppe, die sich mit der Pflege ihrer Subkultur als eine der unaufgebbaren Säulen unserer westlichen Leitkultur begreift.
DEUTSCHER JAGDSCHUTZ VERBAND zur Jägersprache
Sicher haben Sie schon mal eine Person des öffentlichen Lebens aufs Korn genommen. Und wahrscheinlich ist Ihnen auch schon manch heiße Story durch die Lappen gegangen? Dann sind Sie auch schon mittendrin in der Jägersprache - nicht zu verwechseln mit dem vielzitierten Jägerlatein.
Jäger pflegen seit Jahrhunderten - ähnlich wie die Seeleute - ihre eigenen Ausdrucksweisen. Im Laufe des vergangenen Jahrtausends dürften im deutschen Sprachraum insgesamt 13.000 jagdliche Begriffe entstanden sein, an die 3.000 sind gegenwärtig im Gebrauch.
Den Startschuß für die rasante Entwicklung der Waidmannssprache gab Karl der Große im 9. Jahrhundert nach Christus. Damals entstand der rein fachliche Teil der Jägersprache für die zweckorientierte Verständigung.
Etwa im 12. Jahrhundert liegen dann die Wurzeln einer jagdlichen Standessprache, die weit über den fachsprachlichen Aspekt hinaus ging und im 16. Jahrhundert zu ihrer vollen Entfaltung kam.
Der Jäger wollte sich in Kleidung, Gehabe und natürlich auch durch seine Sprache als Mitglied seines Standes vom Bürger und vom Bauern abheben. Daß der Waidmannssprache auch heute noch teilweise der Nimbus einer "Geheimsprache" anhaftet, hat seine Wurzeln in jener Zeit.
Ein Beispiel für die Entwicklung eines Fachausdruckes ist das 'Jagdrevier'. Ursprünglich hatte das Revier mit Jagd nichts zu tun. Es wurde im deutschen Sprachraum erstmals um 1200 in Gestalt von "riever" als höfisches Modewort aus dem französischen "riviere" übernommen. "Riviere" bedeutet in Frankreich "ebenes Land entlang eines Wasserlaufes". Uferlandschaften pflegten besonders wildreich zu sein und wurden deshalb für die Jagd mit Greifvögeln bevorzugt. In dieser Ecke faßte das "Revier" Fuß und konnte sodann seinen Siegeszug quer durch die deutsche Waidmannssprache antreten.
Dagegen ist der Keiler ohne Umwege in die Waidmannssprache eingezogen: Seine Bedeutung gilt heute noch genauso wie vor rund 400 Jahren. Die Zuordnung des "Keilers" zu dem bezeichneten Tier, dem männlichen Wildschwein, fällt auch dem jagdlich Unvorbelasteten nicht schwer. Denn dem "Keiler" liegt nichts anderes zugrunde als das "Schlagen" (= Keilen). Viele Ausdrücke sind sehr bildhaft und leicht zu lernen: die "Löffel" des Hasen, der "Sporn" des Fasanhahnes oder das "Röhren" des Hirsches.
Die Jägersprache war nie etwas Starres, sie hat sich laufend verändert. Sie mußte sich auf neue Jagdarten und neue Wildarten einstellen. Die heutige Jägersprache orientiert sich dementsprechend an der modernen Jagdpraxis.
Solange die Waidmannssprache nur unter Jägern - und nicht im Gespräch mit Nichtjägern - benutzt wird, bringt sie nachvollziehbare Vorteile: Sie fängt jagdlich wichtige Feinheiten ein, die man mit der normalen Sprache kaum darstellen kann und dient damit einer präzisen Verständigung der Jäger.
Ein naturbeflissener Nichtjäger wird vielleicht eine im Wald entdeckte Fährte gerade noch - wenn überhaupt - als Hirschfährte erkennen; ein "fermer" (oder allgemeinverständlich "firmer") Jäger aber wird feststellen, daß der Hirsch "übereilte", also die Hinterläufe vor den Tritten der Vorderläufe aufgesetzt hat. Aufgrund dieser Tatsache mutmaßt er, daß es ein jüngerer Hirsch war, der hier "gezogen" ist.
Quelle: Webseite des DJV, http://www.jagd-online.de/jagdpraxis/jagdkultur?meta_id=315