Das literarische Kabinett im FORUM LEBENDIGE JAGDKULTUR
Was überhaupt ist Belletristik? Unterschiedliche Schreibstile und thematische Vielfalt im Kabinett als Ausdruck literarischer Pluralität
Allgemein verstanden ist Belletristik schöngeistige Literatur. Im literarischen Kabinett werden jagdthematisch kulturelle, uns erwähnenswert erscheinende Beiträge dargeboten, die wohl nicht allesamt aus dem Aspekt Belletristik Anspruch erheben werden. Belletristik aber soll deshalb besonders gepflegt werden, weil sie allgemein die Kultur auf dem jeweiligen Stand ihrer Zeit wie keine andere Stilprägung zu repräsentieren vermag. In der Belletristik sind Sprache, Stil und Inhalt in einer klassisch zu denkenden Form (möglichst!) vereint. Sie bildet in vollkommener Weise die ideale Übereinstimmung von Inhalt und Form. Die moderne jagdbelletristische Literatur erweitert ihr schöngeistiges Gepräge auf die Spiegelung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Erscheinungen ihrer Zeit. Sie ist in dieser Ausdrucksform auch Spiegelung des Zeitgeistes, auf den sie reflektiert ohne ihn zu übernehmen. Die jährlichen Literaturpreise (Büchner-Preis usw.) unterstreichen dieses Verständnis markant in ihren Begründungen zur Preisverleihung. In der gesellschaftlichen Gruppe der Jäger (Buchpreise, Kulturpreise von Jagdverbänden usw.) hinkt das kulturell aussagefähige Niveau der Texte seit langer Zeit dem Anspruch hinterher ohne dafür Nachteile zu gewärtigen. Gepriesen wird, was dem Klientel (Jägerinnen und Jäger) nicht mehr Kultur- und Literaturverständnis abverlangt als das, was insoweit diese Gruppe charakterisiert: Das schlichte, intellektuell anspruchslose Denken der Menschen von allgemein gutem Schlage.
Die nachfolgend aufgelisteten Titel sind zugleich Verweisungen (thematische Links), über die der daran interessierte Besucher sich Zugang zu den jeweiligen Beiträgen vermitteln lassen kann. Wir freuen uns über Ihre Aufgeschlossenheit gegenüber den Beiträgen unserer Mitglieder/Autoren und teilweise auch nicht dem FORUM angehörenden Verfasser.
Arthur Schubart, ein vergessener Dichter?
Beitrag unseres Mitgliedes Fritz Bergner zu einem herausragenden Schriftsteller der Juristenzunft.
Benedikt Freiherr von Cramer-Klett: Jugendjahre und reife eines schriftstellernden Münchner Juristen und passionierten Jägers
Die Rolle des Hasen in Mythen und Kunst
Stimmungsbild einer Treibjagd zum Erleben von Landschaft und Wild
von José Ortega y Gasset
Jagdbelletristik - ein spätes Kind der Jagdkultur
FLJ-Autor Fritz Bergner auf einem Streifzug durch die Anfänge jagdlicher Unterhaltungsliteratur.
Wir wollen dazu beitragen, dem Bildungsanspruch unserer Leitkultur auf dem Felde der Jagdkultur mit Beiträgen im literarischen Kabinett nachzueifern, um wenigstens zu verstehen, wie Literatur mit jagdbezogenem Inhalt sprachlich, stilistisch und in den Horizonten von Wissen und Erleben sein könnte. Eine einfache, aber lebendige Schreibweise, eine grammatikalisch und stilistisch „feine“ und saubere Sprache sowie Inhalte, die jeden erreichen können, weil sich jeder mit dem dargebotenen jagdlichen Erleben auf der Jagd nach Glück und Freude leicht verbinden und eine willkommene Zerstreuung erleben kann. Der nachfolgende Text eines Jägers in seinem Beitrag zur Jagd und Naturbetrachtung ist nach meiner Einschätzung, besser: nach meinem Gefühl eine gute Kostprobe.
Naturerleben in einer „Warteschleife“ auf dem Ansitz mit jagdlicher Spannung
Betrachte die Blumen am Abend, wenn in der sinkenden Sonne eine nach der anderen sich schließt: Etwas Unheimliches dringt dann auf dich ein. Es ist ein Gefühl von rätselhafter Angst vor diesem blinden, traumhaften, der Erde verbundenen Dasein. Dort knackt leise ein Ast: Wechselt Wild an? Zeternd entfernt sich eine Amsel unsichtbar für dich in die Tiefe des Bestandes. Der stumme Wald, die schweigenden Wiesen, jener Busch und diese Ranke regen sich nicht. Der Wind ist es, der mit ihnen spielt. Nur die kleine Mücke ist frei; sie tanzt noch im Abendlichte. Sie bewegt sich, wohin sie will.
Eine Pflanze ist nichts für sich. Sie bildet einen Teil der Landschaft, in der ein Zufall sie Wurzeln zu fassen zwang. Die Dämmerung, die Kühle und das Schließen aller Blüten - das ist nicht Ursache und Wirkung, nicht Gefahr und Entschluß, sondern ein einheitlicher Naturvorgang, der sich neben, mit und in der Pflanze vollzieht. Es steht der einzelnen nicht frei, für sich zu warten, zu wollen oder zu wählen.
Ein Tier aber, dieses Reh dort, das fast unmerklich austritt, kann wollen. Es ist aus der Verbundenheit der ganzen übrigen Welt gelöst. Jener Mückenschwarm, der noch am Wege tanzt, ein einsamer Vogel, der durch den Abend fliegt, der Fuchs dort vor der Brennesselinsel in der Wiese, der vielleicht jetzt ein Nest beschleicht, sie sind kleine Welten für sich in einer anderen großen. Ein für unser menschliches Auge unsichtbares Infusor, das in einem Wassertropfen bloß für den Takt einer Sekunde sein Dasein führt und dessen Schauplatz nur ein winziger Winkel in dem Wassertropfen ist, dieses Lebewesen ist frei und unabhängig gegenüber dem All. Und betrachte sie, diese riesige Eiche, an deren einem Blatt dieser Tropfen hängt, sie ist nicht frei. Ja, so verstehen wir es als Jäger, als Naturnutzer vielleicht: besser als viele andere Menschen in der Natur: Verbundenheit und Freiheit, das ist der tiefste und letzte Grundzug in allem, was wir als pflanzenhaftes und tierhaftes Dasein unterscheiden.
Auf knapp fünfzig Gänge war soeben jener Rehbock, dem mein Ansitz gilt, in die Wiese mit ihren saftigen Gräsern und Kräutern gezogen. Breit steht er jetzt im matten Rotschein des letzten Büchsenlichtes. Ruckartig wirft er auf und sichert zu mir herüber. Eine gelbe Löwenzahnblüte leuchtet wie zum Abschied in seinem Äser, der für einen Augenblick bewegungslos, still in der Spannung des Wildkörpers die Pflanze hält: Es war sein letzter Bissen und er ließ ihn selbst im Verenden nicht los. Mich sieht dieser Ansitzabend als glücklichen Jäger, dessen Beute die Stimmung des Naturerlebens mit hinüberträgt in der Retentionskette der Erinnerung: Nach Verblassen im Bewusstsein fortlebend im Unbewussten und zurückrufbar immer wieder lebendig in der Seele. Jagd ist Schauen, Erleben, Jagd ist Leben und töten zugleich, Jagd ist nach meinem Verständnis eine Lebensform mit und in der Natur unserer eigenen Natur, worin sie zur Kultur wird. Was wäre denn zu kultivieren, wenn es nicht immer wieder neu auch die Rohigkeit unserer Triebe gäbe?